Anfänge
«Ich war nur ein D»
Heute haben alle drei in der Arbeitswelt Fuss gefasst. Entscheidend war – wie für viele vor ihnen in den letzten zehn Jahren – die Unterstützung der Beratungsstelle Jugend und Beruf.
Kapitel 1Anfänge
Kapitel 1 Anfänge
Steckbrief
Alter: 17
Nationalität: Schweiz und Argentinien
Bei der BJB: seit März 2015
Ausbildung: seit Mitte Juli 2015 Praktikum als Logistikerin bei Also, Emmen
Dieses «RAV für Jugendliche» entstand vor zehn Jahren als Reaktion auf die Wirtschafts- und Lehrstellenkrise mit dem Ziel, die Jugendarbeitslosigkeit im Kanton zu bekämpfen.
Kapitel 1 Anfänge
Den jungen Menschen gemeinsam ist: Sie finden trotz unzähliger Bewerbungen weder Lehrstelle noch Praktikumsplatz. Oder sie brechen die Ausbildung nach wenigen Monaten ab.
Nicht alle Teenager würden nach der Schulzeit die Voraussetzungen für eine Lehre mitbringen, sagt BJB-Leiter Bruno Wespi. Betroffen seien auch begabte junge Männer und Frauen. Sie stranden bereits zu Beginn ihrer Berufskarriere im Nichts.
Eine von ihnen ist Aylen Gerosa. Ihre Lehre als Anlagen- und Apparatebauerin in einer Schlosserei brach sie nicht nur wegen Rückenproblemen ab. Danach fand sie keine Lehrstelle mehr.
Kapitel 1 Anfänge
Kapitel 1 Anfänge
Rasch soll es gehen, denn diese erste Arbeitserfahrung in einer Schnupperlehre gibt den jungen Menschen nicht nur Selbstvertrauen. Das daraus resultierende Zeugnis ist entscheidend für den nächsten Schritt: einen Praxiseinsatz oder das so genannte «Motivationssemester» bei der BJB.
Bis dahin war es für Aylen Gerosa eine harte Zeit.
Kapitel 1 Anfänge
Eine weitere Kernaufgabe der Berater ist, passende Unternehmen zu motivieren, Schnupperlehren und Praktika für Jugendliche anzubieten: Arbeitgeber zu finden, die akzeptieren, dass diesen die Reife für die Berufsausbildung fehlt und sie sie durch das Praktikum erlangen sollen.
Seine Bedenken musste auch Thomas Gosso, Lehrmeister und Head of Production bei Also Schweiz, zuerst ablegen.
Kapitel 1 Anfänge
Kapitel 1 Anfänge
Der fünfte Tag steht Aylen Gerosa als «Bildungstag» zur Verfügung, um schulisches Basiswissen aufzufrischen oder an Bewerbungsdossiers zu feilen. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind auch in diesem Teil des Motivationssemesters der BJB gefragt.
In der fixen Tagesstruktur werden die Jugendlichen an die Arbeitswelt herangeführt. Sie lernen, im Team ebenso wie selbständig zu arbeiten, und sie holen Persönlichkeitsdefizite auf. Im Auftrag der BJB bietet die Firma Dreipunkt in Luzern den Bildungstag an.
Diese Form des Lernens sagt der 17-Jährigen zu.
Kapitel 1 Anfänge
Der BJB hält die junge Frau dabei einiges zugute.
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Alltag
Kapitel 2Alltag
Kapitel 2 Alltag
Steckbrief
Alter: 19
Nationalität: Kosovo und Italien
In der Schweiz seit: 2011
Beim BJB: November 2013 – Juli 2014
Ausbildung: seit August 2015 Lehre zum Haustechnikpraktiker, Schwerpunkt Sanitär, mit eidgenössischem Berufsattest, Herzog Haustechnik, Luzern
Sein Weg dahin führte über mehrere Stationen, seit er vor vier Jahren in die Schweiz kam – ohne Deutschkenntnisse. Diese erwarb er in einem Programm der Caritas und in einem weiteren der kantonalen Integrationsbrückenangebote.
Das anschliessende 10. Schuljahr brachte nicht den erhofften Erfolg und führte zum RAV für Jugendliche, zur BJB.
Kapitel 2 Alltag
Nach seinem Praktikum gab die Firma Ardit Berisha nahtlos eine Lehrstelle. Herzog arbeite auch aus Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mit der BJB zusammen, sagt Roland Fischer, Abteilungsleiter Sanitär und Lehrmeister.
Kapitel 2 Alltag
Um die Stellensuchenden auf Veränderungen in der Arbeitswelt vorzubereiten, aktualisierte die BJB ihr Angebot in den zehn Jahren seit Beginn stetig.
Kapitel 2 Alltag
Als sie 2010 ihren Fokus auf Schnupperstellen legte, verdreifachten sich die erfolgreichen Vermittlungen gegenüber den Vorjahren.
Damit eine Schnupperlehre oder ein Praktikum so erfolgreich verläuft wie bei Aylen Gerosa und Ardit Berisha und zu einer Lehrstelle führt, muss es zu den Fähigkeiten des Jugendlichen passen. Um dies herauszufinden, treffen sich die Mitarbeitenden der BJB zweimal pro Woche zur «Jobbörse».
Dann zieht sich das Sextett in ein ruhiges Sitzungszimmer zurück, um von Firmen neu gemeldete Ausbildungsplätze und die stellensuchenden Jugendlichen zusammenzubringen.
An die Wand hinter BJB-Leiter Bruno Wespi hat der Beamer eine lange Liste vergrössert. Rund 500 Firmen sind vermerkt – ein Standortvorteil des von KMU geprägten Kantons Luzern.
Es sind Arbeitgeber, die in den zehn Jahren seit Bestehen der BJB schon einmal bereit waren, stellenlosen Jugendlichen Schnupperlehren, Praktika oder Zwischenlösungen anzubieten. Diese Firmen haben sich selber bei der BJB gemeldet, oder die Berater sind aufgrund von Inseraten oder früheren Kontakten auf sie zugegangen.
Viele Jugendliche sind derweil in anderen Zwischenlösungen wie Praktikumsprogrammen und Schnupperlehren, bei denen sie sich neue Referenzen erarbeiten sollen.
Jeder Berater betreut 50 bis 60 Dossiers. In Gesprächen mit den Jugendlichen ermitteln sie deren Ansprüche, Vorstellungen und Fähigkeiten und gleichen sie mit den offenen Plätzen ab.
Nachhaltig statt rasch
BJB-Leiter Bruno Wespi stellt seinen Kolleginnen und Kollegen eine freie Stelle vor, die eine Partnerfirma eben erst gemeldet hat. Die Meldung enthält als wichtigsten Punkt ein Anforderungs- und Aufgabenprofil.
Nun nehmen die Berater eine Vorselektion der möglichen Kandidaten vor. Die Diskussion verläuft ruhig, es ist keine Hektik wie in einer echten Börse feststellbar. Nachhaltigkeit zählt, nicht schneller Ertrag.
Stehen die Kandidaten einmal fest, beauftragen sie die Berater, ein Motivationsschreiben zuhanden des möglichen neuen Arbeitgebers zu verfassen. «Das ist ein wichtiges Instrument für uns und auch für die Firma», sagt Bruno Wespi.
Einigt man sich, unterzeichnen Firma, Jugendlicher und BJB eine Leistungsvereinbarung. Dabei verpflichtet sich Erstere, den Teenager in seinen berufspraktischen Fähigkeiten zu fördern, damit er einen Ausbildungsplatz findet.
Die Praktika sind für die Jugendlichen zentral, um Erfahrungen zu sammeln. Lehrmeister Thomas Gosso von Also bringt es auf den Punkt:
Kapitel 2 Alltag
Maximal dreiwöchige Schnuppereinsätze sind der klassische Einstieg.
Bevor er sich für ein Praktikum als Haustechniker mit Schwerpunkt Sanitär bewarb, schnupperte auch Ardit Berisha bei anderen Berufen.
Kapitel 2 Alltag
Die BJB-Mitarbeitenden sind nicht nach Berufsgattungen aufgeteilt. Alle kämpfen mit den gleichen Problemen. Barbara Joshi ist seit der Gründung dabei. «Die meisten Jungen haben klare Vorstellungen ihres Traumberufs. Unsere Aufgabe ist es, ihnen klarzumachen, dass die Angebote nicht immer steuerbar sind. Oft kämpfen wir auch mit zähem Widerstand der Eltern gegen gewisse Berufe.»
Dann seien Überzeugungsarbeit und Geduld gefragt. Wichtig ist auch, dass die Jugendlichen möglichst viele Erfahrungen sammeln können. Sei es mit Absagen auf ihre Bewerbungen oder durch Schnuppereinsätze, die durch eigene Bemühungen zustande kommen.
«Viele Firmen wollen mittlerweile nur noch Jugendliche zum Schnuppern, die bei Eignung danach auch die Lehre bei ihnen machen wollen», sagt Ruedi Ernst. Der Berater ist seit sechs Jahren bei der BJB tätig.
Er hat auch festgestellt, dass der Anteil Jugendlicher mit psychischen Problemen steigt. «Motivation, Perspektive und Selbstbild leiden darunter. Oft müssen wir erst sehr viel Frust beiseiteräumen, bevor wir zusammen machbare neue Wege erarbeiten können.»
Nicht jede Jobbörse verläuft erfolgreich, manchmal bleiben die neu gemeldeten Stellen unbesetzt. Schöner aber sind jene Jobbörsen, die nur Gewinner kennen. Wie im Fall Ardit Berishas. Seine Aussichten auf berufliche Integration sind ausgezeichnet. Er sei ein vollwertiger Mitarbeiter seiner Firma, sagt sein Lehrmeister.
Kapitel 2 Alltag
Kapitel 2 Alltag
Aussichten
Kapitel 3Ausblicke
Kapitel 3 Aussichten
Steckbrief
Alter: 22
Nationalität: Schweiz
Bei der BJB: März 2011 – Januar 2012
Ausbildung: seit August 2015 Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit (FaGe) am Zentrum Höchweid, Ebikon
Sechs Jahre brauchte sie bis hierher, denn als D-Schülerin fand sie nach der obligatorischen Schulzeit beruflich keinen Anschluss. Trotz guten Noten.
Kapitel 3 Aussichten
Kapitel 3 Aussichten
an die BJB.
Kapitel 3 Aussichten
Gizem Kiziler nutzte ihre Chance. Die Attestlehre absolvierte sie im Zentrum Höchweid in Ebikon, einem Alters- und Pflegeheim mit Wohngruppen für an Demenz erkrankte Menschen.
Kapitel 3 Aussichten
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Zehn Prozent von ihnen aber verweigern sich still oder offen einer Beratung oder Vermittlung. Sie landen beim Sozialamt.
Kapitel 3 Aussichten
Gizem Kiziler hat bereits jetzt weitaus mehr erreicht.
Kapitel 3 Aussichten
Interviews: René Baumann, Katja Imme, Jvan Spiess
Texte: René Baumann, Paola Pitton
Videos: Sandro Pfammatter, Tomas Hrico
Schnitt: Carmen Püntener, Paola Pitton
Fotos: René Baumann, Katja Imme, Sandro Pfammatter
Fotoauswahl und -bearbeitung: Simone Gloor
Grafiken: Doris Urfer
Projektleitung: Paola Pitton