Newsletter Asyl 5/2017

Inhalt

Newsletter der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF)
Aus der Dienststelle
Aktuelle Lage
Hintergrundwissen Asyl
Schulangebote Asyl

Newsletter der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF)

Geschätzte Leserinnen und Leser
Wir freuen uns, Ihnen die 5. Ausgabe des Newsletters Asyl der DAF zu präsentieren. Mit dem Newsletter informieren wir Sie über aktuelle Ereignisse und Themen im Asyl- und Flüchtlingswesen, geben Ihnen einen Überblick über die Migrationslage in Europa, der Schweiz und im Kanton Luzern und weisen Sie auf interessante Veranstaltungen oder Publikationen hin.

Aus der Dienststelle

Deutschkurse in den Asylzentren
Die DAF bietet seit 2016 obligatorische Deutschkurse für Asylsuchende an. Es gibt jedoch nach wie vor Asylsuchende in den Gemeinden, die vor 2015 dem Kanton Luzern zugewiesen wurden und deshalb nicht von diesem Angebot profitieren konnten. Die Abteilung Integrationsmassnahmen hat nun erfasst, welche Asylsuchenden von 2015 die Kurse noch nicht besucht haben und ermöglicht ihnen nachträglich den Besuch. Zusätzlich organisiert die Abteilung zusammen mit der FABIA bei Bedarf Deutschkurse in den Gemeinden. Die Kurse sind eine Dienstleistung, welche der Kanton über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus erbringt. Seit Jahresbeginn unterrichteten zehn Lehrpersonen der DAF in 21 Kursen 270 Personen.

Asylzentrum Grosshof
Am 1. Dezember nimmt das Asylzentrum Grosshof in Kriens den Betrieb auf. Es bietet 120 Personen Platz und dient zur Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendlichen (MNA) aus dem Asylbereich. Die MNA werden im Grosshof in altersspezifischen Wohngruppen mit unterschiedlicher Betreuungsintensität untergebracht. Das Asylzentrum Grosshof löst damit das bestehende Zentrum für unbegleitete Minderjährige aus dem Asylbereich (ZUMA) Pilatusblick in Kriens ab, welches Ende November planmässig schliesst. Aktuell ist der Kanton Luzern für 128 MNA zuständig.

Tag der offenen Tür Minimalzentrum Fischbach
Am Samstag, 25. November 2017 können Interessierte von 10:00 bis 16:00 Uhr einen Blick hinter die Kulissen des Minimalzentrums Fischbach werfen. Nutzen Sie die Gelegenheit, sich ein Bild vom Betrieb eines Asylzentrums zu machen und direkt in Kontakt zu treten mit den Bewohnerinnen und Bewohnern wie auch den Mitarbeitenden der DAF. Abgerundet wird das Ganze durch kulinarische Köstlichkeiten aus den Herkunftsländern der Asylsuchenden.

Ein Chorkonzert mit dem Luzerner Symphonieorchester
Im letzten Monat war der Musikwagen des Luzerner Symphonieorchesters zu Besuch auf dem Pausenplatz des Schulhauses St. Karli. In Zusammenarbeit mit dem Verein Pfasyl, der sich seit März 2016 im Durchgangszentrum Hirschpark engagiert, gab es ein Musik-Projekt mit den Kindern des Durchgangszentrums Hirschpark. Einmal wöchentlich studierten Sängerin Jasmin Albash und Solo-Trompeter Philipp Hutter mit den Schulkindern mehrere Lieder ein. Nach vier Wochen Probezeit präsentierten sie stolz ihr fröhliches Programm in einem Abschlusskonzert vor Eltern, Pfasyl-Mitgliedern und Familien aus der Nachbarschaft. Begleitet von einem Streichquartett des Luzerner Sinfonieorchesters begeisterten sie an einem sonnigen Herbstabendabend ihr Publikum.

Aktuelle Lage

Europa
Seit Jahresbeginn wurden in Europa rund 407'000 Asylgesuche gestellt. Im Vergleich zu den 1'236'300 Asylgesuchen des Vorjahres sind dies markant weniger. Auch die Anlandungen in Italien haben im Vergleich zu 2016 stark abgenommen. Trotzdem befinden sich derzeit über 190'000 Personen in den Asylstrukturen des Landes. Ob die abnehmenden Anladungen in Italien an der verstärkten Zusammenarbeit der EU mit Libyen und dessen Anrainerstaaten liegt, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da die Lage in Libyen aufgrund innerstaatlicher Konflikte labil ist, steht keinesfalls fest, ob die Massnahmen zur Eindämmung der Bootsabfahrten von Dauer sind. Sollten die Anlandungen weiterhin auf tiefem Niveau bleiben, kann durchaus von einer Trendwende gesprochen werden. Aufgrund der intensivierten Kontrollen durch die libysche Küstenwache ist es mittlerweile zu Ausweichbewegungen via Marokko, Algerien und Tunesien gekommen. So sind seit Anfang Jahr rund 15'000 Migranten in Spanien angelandet, doppelt so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Auch das Weiterwanderungspotential der Migranten in Italien Richtung Norden bleibt nach wie vor hoch.

Schweiz
Seit Jahresbeginn wurden 13'916 Asylgesuche gestellt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ging für 2017 von 24'500 Asylgesuchen aus, hat nun aber die Zahl nach unten korrigiert. Für 2017 geht das SEM neu von 18'000 - 19'000 Asylgesuchen aus. Für 2018 erwartet das SEM Asylgesuche in derselben Höhe. Nach wie vor stellt nur ein Bruchteil der in der Schweiz aufgegriffenen Personen ein Asylgesuch, d.h. die Schweiz ist nicht primäres Zielland. Bei den Aufgriffen handelt es sich mehrheitlich um bereits in Italien registrierte Personen. Unter Anwendung des Dublin-Verfahrens werden diese konsequent rücküberstellt. Zugenommen haben die Gesuche um Rücküberstellung von Asylsuchenden aus Deutschland, welche bereits in der Schweiz registriert wurden. Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Personen mit einem negativen Entscheid tauchen oftmals unter und ziehen innerhalb von Europa weiter, um nicht in die Heimat rücküberführt zu werden.

Kanton Luzern
Per 31. Oktober 2017 lebten 1'447 Asylsuchende im Kanton Luzern. Darüber hinaus war die DAF im Rahmen der persönlichen und wirtschaftlichen Sozialhilfe zuständig für 3'364 Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Die Verteilung der Asylsuchenden ab den Empfangs- und Bundeszentren (EVZ) an die Kantone erfolgt nach einem festgelegten Verteilschlüssel. Durch die Eröffnung von Bundeszentren erhalten die Standortkantone eine Kompensation in Form einer Reduktion der Zuweisungen. Das bedeutet, dass die anderen Kantone die Kompensation auffangen müssen. Infolgedessen hat sich der Verteilschlüssel erhöht. Aktuell liegt er für den Kanton Luzern bei 5.9%.

Hintergrundwissen Asyl

Wieso flüchten Männer eher als Frauen?
 
Verfolgt man die Medienberichte zu Flüchtlingsthemen, so entsteht schnell der Eindruck, dass überwiegend Männer nach Europa flüchten. Oft herrscht Unverständnis dafür, dass die "jungen Männer" nicht in ihrer Heimat bleiben und z.B. beim Wiederaufbau helfen. Es stimmt, 67.1% der Asylsuchenden in der Schweiz sind Männer, darunter sind aber auch viele Kinder und Jugendliche. Frauen machen 32.9% der Asylsuchenden aus.
 
Die Gründe dafür, dass vor allem Männer flüchten, sind vielfältig: Viele von ihnen fliehen aus Ländern, in denen Krieg herrscht und in den sie mit grösster Wahrscheinlichkeit selbst ziehen müssten, wenn sie blieben. Häufig haben Familien nur Geld, um für eine Person den Schlepper zu bezahlen. Also muss abgewogen werden, für wen der Weg weniger riskant ist und wer körperlich besser durchhält. Oft ist das dann der Ehemann oder erwachsene Sohn. Frauen und Kinder hingegen sind auf der Flucht ganz besonders durch sexuelle Übergriffe gefährdet. Deshalb fliehen überwiegend Männer, in der Hoffnung, später die Familie auf legalem und vor allem sicheren Weg nachholen zu können.
 
Übrigens ist der Trend weltweit umgekehrt: Mindestens jeder zweite Flüchtling ist laut UNO-Flüchtlingswerk UNHCR weiblich. Hier werden aber auch die Binnenflüchtlinge miteinberechnet, also Personen, die innerhalb des Heimatlandes flüchteten.

Schulangebote Asyl

Die Zahl asylsuchender Kinder und Jugendlicher hat in den vergangenen drei Jahren schweizweit stark zugenommen. Das stellt auch den Schulalltag vor grosse Herausforderungen. Viele Kinder und Jugendliche leiden an Traumata aufgrund dessen, was sie in der Heimat oder auf der Flucht erlebt haben. Im Kanton Luzern angekommen, besuchen die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, welche in den Asylzentren leben, das Schulangebot Asyl der Dienststelle Volksschulbildung. Brigitt Stadelmann, Leiterin der Schulangebote Asyl, schildert im Gespräch die Herausforderungen und Erfolge.
 
Frau Stadelmann, was und für wen ist das Schulangebot Asyl?
Das Schulangebot Asyl richtet sich an alle Kinder und Jugendliche im Volksschulalter, die in einem der Asylzentren wohnen und zwar unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Sobald Familien in individuelle Wohnungen ziehen, beginnt die Integration der Kinder in die Gemeindeschule. Unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche (MNA) wohnen in der Regel bis zum 18. Geburtstag in einem Zentrum. Sie besuchen unsere Schule bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit, ebenfalls unabhängig vom Status. Viele dieser Jugendlichen waren bei ihrer Einreise älter als 14 Jahre. Bis zum Ende der Volksschule ist für sie die Zeit ist oft zu kurz, um ausreichend Deutsch und weitere schulische Kompetenzen zu erlernen, die den Berufseinstieg oder die Arbeitsintegration ermöglichen. Diesen Jugendlichen dürfen wir ein bis zwei weitere Unterrichtsjahre in der nachobligatorischen Anschlussklasse unserer Schule anbieten.
 
Wie viele Kinder und Jugendliche besuchen zur Zeit das Schulangebot Asyl?
Die Anzahl unserer Schüler und Schülerinnen ist sehr volatil. Aktuell besuchen rund 100 Kinder und Jugendliche unsere Schule. Sie werden an vier Standorten unterrichtet, wobei sich der Hauptstandort und somit die grösste Schule mit rund 60 Lernenden im Schulhaus Schädrüti in Luzern befindet. Hier besuchen die älteren Kinder den Unterricht. Für die jüngeren Kinder führen wir in den Durchgangszentren in Luzern und Rothenburg je eine Schule, eine weitere Schule befindet sich in Geuensee.
 
Erhalten die Kinder denselben Unterricht wie an öffentlichen Schulen?
Ein wichtiger Teil unserer Schule ist, den Kindern und Jugendlichen nach einer meist unruhigen und unsicheren Zeit der Flucht wieder einen strukturierten und sicheren Alltag zu bieten sowie ihnen Zeit zum Ankommen in der für sie neuen Welt zu geben. Das Vertrautwerden mit unserem Schulsystem und- alltag sowie das Erlernen der deutschen Sprache bilden dabei wichtige Ziele des Unterrichts. Weitere Fächer sind Mathematik, Bewegung und Sport, Musik und Technisches Gestalten sowie Lebenskunde für die ältesten Schüler und Schülerinnen. Je nach Sprachniveau fliessen Themen des Fachbereiches Natur, Mensch, Gesellschaft im Deutschunterricht ein. Die Inhalte des Unterrichts orientieren sich am Lehrplan des Kantons Luzern. So wird auch an überfachliche Kompetenzen wie Arbeitshaltung, Pünktlichkeit, Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit gearbeitet, die soziale Integration gefördert und Selbstvertrauen aufgebaut.
 
Findet der Unterricht täglich statt?
Ja, wobei der Stundenplan so gestaltet ist, dass die Kinder und Jugendlichen das Mittagessen im Zentrum einnehmen können.
 
Bei vielen Kindern und Jugendlichen war der Zugang zu Bildung aufgrund der Flucht für teils längere Zeit unterbrochen. Nicht alle sind zuvor in die Schule gegangen, einige können nicht schreiben während andere im gleichen Alter vielleicht sehr viel weiter sind. Wie geht man mit dieser Vielfalt um?
Wir führen mit den Kindern und Jugendlichen in den ersten beiden Wochen nach ihrer Ankunft in einem der Zentren eine Einstufung durch. Dabei schauen wir neben Sprach- und Mathematikkenntnissen auch logisches Denken und bildnerisches Gestalten an. Diese Ergebnisse bilden zusammen mit dem Alter des Kindes die Grundlage für die Klasseneinteilung. Die Zuteilung ist also eine Mischung von Alter und Bildung, wobei wir nach Möglichkeit darauf achten, dass die Altersunterschiede innerhalb einer Klasse nicht zu gross sind. Um unseren Schülern und Schülerinnen trotz dieser Unterschieden gerecht zu werden, gestalten unsere Lehrpersonen einen differenzierten, individuell auf die einzelnen Lernenden zugeschnittenen Unterricht. Dies tun wir mit kleinen Klassen und durch Unterstützung von Klassenassistenzen oder Zivildienstleistenden.
 
Viele der Kinder und Jugendlichen leiden an Traumata aufgrund des Erlebten zu Hause oder auf der Flucht. Wie gehen die Lehrpersonen damit um?
Ein erster und wichtiger Schritt zur Bewältigung von Traumata ist ein möglichst normaler und strukturierter Alltag. Dies hilft den Kinder und Jugendlichen Ruhe und Vertrauen zu finden, in der neuen Umgebung Wurzeln zu schlagen. Unsere Schule bietet dies, sei es durch Organisatorisches wie Stundenplan, Ämtli oder Hausaufgaben, durch Regeln des Zusammenseins oder durch unsere Kultur. So ist jedes Kind bei uns herzlich willkommen, findet bei uns einen sicheren Platz. Unsere Lehrpersonen begegnen jedem Kind mit Wertschätzung und haben offene Ohren für seine Sorgen und Anliegen. Sie geben klare Richtlinien vor und achten darauf, dass diese eingehalten werden. Kurz, wir leben mit den Kindern und Jugendlichen ein ehrliches und menschliches Miteinander, fördern und fordern sie. So geben wir ihnen ein Stück Normalität zurück. Sie haben Schulkameraden, einen Schulweg, einen Alltag. Das gibt Halt, zumindest ein bisschen, und lässt die Erlebnisse der Flucht für eine Zeit vergessen. Für spezielle psychologische Betreuungen stehen unserer Schule dieselben Möglichkeiten wie der Regelschule zur Verfügung, zum Beispiel der Kinder- und Jugendpsychologische Dienst.
 
Das Recht jedes Kindes auf Schulbildung ist in der UNO-Konvention über die Rechte der Kinder verbrieft. Immer wieder wird diskutiert, was sinnvoller ist: Die asylsuchenden Kinder so früh wie möglich einzuschulen oder sie in separate "Asylklassen" zu schicken. Wo sehen Sie Vor- und Nachteile dieser "Asylklassen"?
Einen grossen Vorteil in unserem Modell der separaten Asylklassen sehe ich bei der Unterstützung und Begleitung im neuen Schulalltag. So erhalten die Kinder und Jugendlichen bei uns eine Starthilfe sowohl sprachlich wie im Erleben und Erlernen schweizerischer Gewohnheiten und Standards. Auch sehen und erfahren die Schülerinnen und Schüler, dass sie nicht alleine in dieser Situation sind, dass auch andere am Anfang stehen. Ich bin überzeugt, dass dieser Start im geschützten Raum die Kinder Sicherheit, Beziehungen und Ruhe in der für sie neuen Umgebung finden lässt, so dass Lernen überhaupt möglich wird. Bleiben die Kinder über längere Zeit in unseren Strukturen, fehlt ihnen oft der regelmässige Kontakt und Austausch mit gleichaltrigen Schülerinnen und Schüler ausserhalb des Asylwesens. Projekte und Begegnungen mit Klassen aus der Region, die unsere Lehrpersonen organisieren, ersetzen das soziale Umfeld einer Regelschule nur bedingt. Ideal wäre, wenn wir jedes Kind, jeden Jugendliche dann aus unserer Schule entlassen könnten, wenn sie oder er dazu bereit ist.
 
Wir haben viel über die Herausforderungen gehört. Was sind die Erfolge?
Kleinere Erfolgsgeschichten erlebe ich eigentlich immer wieder bei Begegnungen mit Schülern, wenn sie fröhlich zur Schule kommen, vergnügt auf dem Pausenplatz spielen, mich freundlich grüssen oder anlachen. Diese Begegnungen zeigen mir, dass es uns gelingt, den Kindern und Jugendlichen einen Ort zu bieten, an dem sie ihre schwierigen und belastenden Geschichten für eine Weile in den Hintergrund schieben können. Besonders freut mich jeweils, wenn mich Kinder und Jugendliche an ihrem Lernfortschritt teilhaben lassen, sei es mit einem selbstgeschriebenen Text, einem selbstgemalten Bild oder ein Schüler mir mitteilt, dass er es nun geschafft habe, eine Woche pünktlich zur Schule zu kommen. Es macht uns jedes Mal stolz, wenn wir von der Nachfolgeschule positive Rückmeldungen zur Integration eines unserer Schützlinge erhalten und erfahren, dass sie oder er ihren Weg erfolgreich weitergeht.

Kontakt

​KANTON LUZERN
Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen
Gibraltarstrasse 3
6002 Luzern