Newsletter Freiwilligenarbeit 3/2020

Wissenswertes und Informatives aus der Arbeit der Koordinationsstelle für Freiwilligenarbeit im Asyl- und Flüchtlingsbereich

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser
Liebe Freiwillige
Bei der Integration spielen sogenannte Schlüsselpersonen eine immer wichtigere Rolle. Darunter werden zugewanderte Personen verstanden, die gut in der Schweiz integriert sind. Sie kennen sich aus im Integrationsprozess, weil sie ihn selbst durchlaufen haben und können ihre Erfahrungen weiter vermitteln. Durch ihre eigene Migrationserfahrung und durch ihre Kenntnisse der Sprache und Kultur ihres Herkunftslandes finden sie meistens leichter Zugang zu Flüchtlingen aus derselben Region. Schlüsselpersonen sind daher Brückenbauer zwischen der individuellen Lebenswelt der Betroffenen und der Gesellschaft mit ihren Integrationsangeboten. Schlüsselpersonen stellen eine niederschwellige Anlaufstelle dar, an die sich Migrantinnen und Migranten mit ihren Fragen wenden können und wo sie gegebenenfalls auf andere Angebote hingewiesen werden. Am Beispiel der Gemeinde Root wird deutlich, dass auch Gemeinden vermehrt auf Schlüsselpersonen in ihren kommunalen Integrationsprojekten setzen. Damit Projekte mit Schlüsselpersonen ein Erfolg werden, müssen aber diverse Punkte beachtet werden. Reto Bieri erläutert im Interview, wie das Projekt in der Gemeinde Root zustande kam, wie es organisiert ist und wo die Herausforderungen liegen. Sein Fazit: Es braucht viel Zeit und Pflege sowie eine lokale Verankerung, damit ein Schlüsselpersonen-Netzwerk Bestand hat.
 
Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre!
 
Marianne Bachmann
Koordinatorin Freiwilligenarbeit

Empfehlungen Schlüsselpersonen

Schlüsselpersonen unterstützen Migrantinnen und Migranten beim Integrationsprozess und erleichtern den Informationsfluss zwischen Gemeinden und Migrationsgemeinschaften. Dafür hat die FABIA Fachstelle für die Beratung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern im Auftrag der Dienststelle Soziales und Gesellschaft des Kantons Luzern die Empfehlungen "Einsatz von Schlüsselpersonen im Kanton Luzern" erarbeitet.
 
Das Konzept informiert über die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen, welche Personen sich dafür eignen und wie sich die Aufgaben zu interkulturellen Dolmetschenden oder Vermittelnden abgrenzen. Thematisiert wird auch die Entschädigung von Schlüsselpersonen. Es werden die Aufgaben der Gemeinden zum Aufbau und Führen eines Schlüsselpersonen-Netzwerkes vorgestellt und was dabei beachtet werden muss. Schliesslich werden auch die finanziellen Aspekt erläutert.
 
Von Schlüsselpersonen profitieren alle - Gemeinden, Schulen und Zugewanderte. Die Dienststelle Soziales und Gesellschaft unterstützt darum den Aufbau von Schlüsselpersonennetzwerken mit Projektbeiträgen.
 
Marc da Silva, Fachperson Integration und Gleichstellung
Dienststelle Soziales und Gesellschaft
 

Aus der Praxis: Kontaktnetz Root

Bild: zVg
Ausgehend vom Problem, dass bei Schuleintritt immer mehr Kinder schlecht oder gar kein Deutsch sprechen und teilweise unzureichend sozialisiert sind, beschloss der Gemeinderat Root, das Projekt Schlüsselpersonen umzusetzen. Im Gespräch mit Reto Bieri, Schulsozialarbeiter und Projektverantwortlicher Kontaktnetz Root.
 
 
Reto, welches Ziel verfolgt das Kontaktnetz in Root?
Das Kontaktnetz ist Teil eines Integrationsprogramms, welches zum Ziel hat, zugezogene Migrantinnen und Migranten u.a. mit Unterstützung von Schlüsselpersonen möglichst schnell in die Gesellschaft zu integrieren, vor allem die Kinder hinsichtlich Eintritt in den Kindergarten.
 
Wie ist das Kontaktnetz mit den Schlüsselpersonen entstanden?
Das Kontaktnetz entstand im Jahr 2017 aus einem Projektauftrag der Projektgruppe Frühe Förderung an mich: Aufbau und Unterhalt eines Schlüsselpersonenpools.
Ausschlaggebend dafür, im Bereich der Integration aktiv zu werden, war die wachsende Anzahl Kindergarteneintritte von nicht-deutschsprachigen Kindern. Der grosse Anteil fremdsprachiger Kinder war für die Lehrpersonen eine echte Herausforderung. Es wurden Richtlinien für den Einsatz von Schlüsselpersonen erarbeitet, welche die Definition von Schlüsselpersonen, ihre Aufgabenbereiche, Kompetenzen und Rollen klären. Weil die Unterstützung von Schlüsselpersonen vorwiegend Familien betrifft, machte es Sinn, das Kontaktnetz im schulischen Bereich anzulehnen. So übernahm ich neben meiner Aufgabe als Schulsozialarbeiter zusätzlich die Koordination für das Kontaktnetz. Zunächst hatte ich grossen Respekt vor diesen beiden unterschiedlichen Rollen. Als Koordinator vom Kontaktnetz berate ich die Schlüsselpersonen aber sehr ähnlich wie Erziehungsberechtigte oder Lehrpersonen als Schulsozialarbeiter.
 
Als zuständige Person des Kontaktnetzes übernimmst du die Rekrutierung und Koordination der Schlüsselpersonen. Wie gehst du dabei vor?
Die Hauptquellen für die Rekrutierung von Schlüsselpersonen sind die Lehrpersonen, weil sie mit vielen Eltern und damit auch mit potentiellen Schlüsselpersonen in Kontakt sind. Ich habe z.B. die Lehrpersonen gebeten, dass sie bei Elterngesprächen potentielle Schlüsselpersonen direkt auf das Projekt ansprechen. Positive Rückmeldungen werden von den Lehrpersonen an mich weitergeleitet. Ich nehme danach mit den Interessierten Kontakt auf und informiere sie über das Projekt und das weitere Prozedere. Ein grosser Teil der Schlüsselpersonen sind deshalb Eltern von schulpflichtigen Kindern. Zudem meldete ich mich bei Vereinen und Organisationen der Gemeinde Root wie z.B. bei der Pfadi, bei denen ich das Gefühl hatte, dass Teilnehmende Kontakt mit potentiellen Schlüsselpersonen haben könnten. Neben den Voraussetzungen, die eine Schlüsselperson mitbringen sollte, mussten wir zu Beginn auch definieren, wie viele Schlüsselpersonen aus welchen Kulturkreisen rekrutiert werden müssen. Als Grundlage dazu dienten uns die Klassenliste der Kindergartenstufe, welche die Herkunft der Kinder abbildete, sowie Listen der in der Gemeinde Root wohnhaften Migranten und Migrantinnen.
 
Du erwähnst die Voraussetzungen, die eine Schlüsselperson mitbringen muss. Was sind diese?
Neben guten Sprach- und Kulturkenntnissen sollten die Schlüsselpersonen gut vertraut sein mit den Lebensgewohnheiten in der Schweiz und im Herkunftsland. Weiter sollten sie gut vernetzt sein mit Landsleuten und der einheimischen Bevölkerung. Manchmal müssen wir dabei auch Kompromisse eingehen oder wir müssen die Schlüsselpersonen noch etwas fördern, bis sie die Voraussetzungen erfüllen, z.B. sie ermuntern, lesen und schreiben zu lernen.
 
Wie werden Schlüsselpersonen von dir begleitet?
Für die Schlüsselpersonen bin ich Ansprechperson und Info-Drehscheibe. Am Anfang führe ich mit allen Schlüsselpersonen ein Einzelgespräch durch und informiere sie über ihre Aufgabe als Schlüsselperson. Zweimal jährlich finden verbindliche Austauschtreffen statt. Oftmals gibt es bei diesen Treffen auch einen Input einer Fachperson zu einem für die Schlüsselpersonen relevanten Thema. Schlüsselpersonen haben natürlich auch die Möglichkeit, an den Kompass-Angeboten der Fabia teilzunehmen.
 
Arbeiten eure Schlüsselpersonen ehrenamtlich?
Nein. Unsere aktuell 17 Schlüsselpersonen erhalten für ihre Einsätze eine finanzielle Entschädigung im Stundenlohn.
 
Woher erhalten sie ihre Aufträge?
Einerseits sind Schlüsselpersonen Anlaufstellen für ihre Landsleute, das bedeutet, dass die Landsleute in der Gemeinde gut darüber informiert sein müssen, dass für ihre Integrationsunterstützung Schlüsselpersonen zur Verfügung stehen. Jede Schlüsselperson hat in ihrer Herkunftssprache ein Schreiben verfasst, in dem sie sich kurz vorstellt und ihre Unterstützung anbietet. Dieses Schreiben wird den Migrantinnen und Migranten beim Zuzug in die Gemeinde zusammen mit den üblichen Informationen abgegeben. Sie haben so das nötige Wissen und damit auch die Möglichkeit, mit einer Schlüsselperson in Kontakt zu treten. Andererseits erteilt die Gemeinde oder die Schule den Schlüsselpersonen Aufträge. Diese Aufträge können direkt an die Schlüsselpersonen oder über mich gehen. Bei Unklarheiten beraten sich die Schlüsselpersonen und ich gegenseitig. Unklarheit entsteht meistens in erster Linie bezüglich der Frage, ob der Auftrag so zu den Aufgaben einer Schlüsselperson gehört oder nicht (Rolle/Funktion), oder ob es jemand anders braucht, zum Beispiel eine interkulturell vermittelnde Person (IKV). Oder die Frage, wie ein Auftrag angegangen wird.
 
Was sind die Herausforderungen in deiner Arbeit im Kontaktnetz?
Nicht alle Kulturen können die Unterstützung von Schlüsselpersonen gleichermassen annehmen. Bei manchen Familien benötigt es aus unserer Sicht mehr Unterstützung als sie annehmen können/wollen. Da braucht es manchmal etwas Fingerspitzengefühl um damit umzugehen und Lösungen zu finden. Ich muss immer wieder die Rolle und Funktion der Schlüsselpersonen erklären und bei der Auftragsklärung abgrenzen bzw. klären. Meistens nehmen die Leute diese Rollenklärung aber dankbar und verständnisvoll an. Diese Rollenklarheit auch bei den Schlüsselpersonen selbst ist ebenfalls entscheidend für den Erfolg des Kontaktnetzes. Die Leute aus den Herkunftsländern der Schlüsselpersonen müssen die Wahrnehmung haben, dass ihre Schlüsselpersonen ihnen in ihrem Sinn beratend und unterstützend zur Seite stehen. Ansonsten werden die Leute sich gegenüber den Schlüsselpersonen ebenso abgrenzen wie von der Schule und den Behörden, womit die Grundidee der Schlüsselpersonen gescheitert wäre: Leute zu haben, die aufgrund verschiedener besonderer Eigenschaften (Sprache, Wissen über die Kultur, und nicht zuletzt ihre besondere Rolle) Kontakt zu Migrantinnen und Migranten aufnehmen können, wo dies Vertreterinnen und Vertretern unserer Gesellschaft nicht gelingen kann.
 
Was würdest du Gemeinden oder Organisationen mitgeben, wenn sie ein Schlüsselpersonenprojekt aufbauen möchten?
Den Erfolg des Kontaktnetzes in Root sehe ich primär im Aufbau des Gesamtkonzeptes Frühe Förderung der Gemeinde Root. Das Kontaktnetz ist darin nur eines von vielen Teilen. Das Kontaktnetz macht in erster Linie in Interaktion mit den anderen Teilprojekten Sinn. Es braucht ebenso ein vorschulisches Deutschkurs Angebot für die fremdsprachigen Kinder. In unserem Fall die Spielgruppe, welche extra für diesen Zweck neu konzipiert wurde, unter anderem mit mehr Plätzen und mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Unterricht. Aber das ist wiederum nur eines von weiteren wichtigen Teilprojekten. Ebenfalls entscheidend für den Erfolg des Gesamtkonzeptes ist, dass Vertreter/innen aus vielen unterschiedlichen Bereichen in der Projektgruppe Einsitz haben. Dadurch wurde das Projekt von weiten Kreisen getragen und erlangte eine grössere Bekanntheit und Zustimmung in der Gemeinde. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass die Gemeinde das Projekt ideell wie auch finanziell unterstützt und proaktiv teilnimmt sowie auch die Teilnahme der Schule, die weiterhin als wichtiger Indikator in der Rekrutierung von Schlüsselpersonen fungiert.
 
Reto, ich danke dir für das Interview und die spannenden Einblicke in euer Schlüsselpersonen-Projekt.

Integrationsangebote

Get Together
get together hat zum Ziel, gegenseitig das kulturelle Verständnis zu fördern und zusammen Deutsch zu lernen. Durch verschiedene Aktivitäten wird ein altersgerechter Zugang zur
Schweizer Kultur und ein gemeinsamer Austausch möglich. Das Angebot steht allen jungen Menschen in der Region Willisau mit Flucht- und Migrationshintergrund offen und ist kostenlos. An- und Rückreise können bei Bedarf und nach Möglichkeit ebenfalls kostenlos durch den Fahrdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Luzern organisiert werden. Anmeldung mindestens drei Tage vor der Veranstaltung an jugendrotkreuz@srk-luzern.ch.
 
Femmes-Tische und Männer-Tische
Femmes-Tische und Männer-Tische sind moderierte Gesprächsrunden in verschiedenen Sprachen, in denen sich die Teilnehmenden in lockerer Atmosphäre zu alltäglichen Themen wie Gesundheit, Familie oder Integration austauschen. Die Gesprächsrunden finden im kleinen Kreis von sechs bis zehn Personen im privaten Rahmen oder an öffentlichen Orten statt: zu Hause, in einem Treffpunkt oder draussen im Freien. Die Teilnahme ist kostenlos. Mehr Informationen finden Sie hier.
 
MiTu - Miteinander Turnen
Das Projekt MiTu hat s sich zum Ziel gesetzt, das bisherige Vorschulturnen (MuKi, VaKi, ElKi oder GroKi) schweizweit zur Integration zu nutzen. In einem ungezwungenen Rahmen sollen Familien mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Familien mit Kindern mit einer Beeinträchtigung in das bisherige Vorschulturnen integriert werden. Dieses Aufeinandertreffen ermöglicht nicht nur das Kennenlernen verschiedener Kulturen und Sprachen, sondern auch den Abbau von Vorurteilen und Kontaktängsten. Die Kinder können zudem ihren Bewegungsdrang ausleben und ihre Basiskompetenzen zur Schulfähigkeit sowie ihre Sozialkompetenzen fördern. Nicht nur das Kind im Alter von 3 bis 5 Jahren, sondern auch dessen Eltern werden dadurch in die Gemeinde und das Vereinsleben integriert.
 
Im Kanton Luzern wird das Angebot in Wolhusen, Schötz, Büron, Emmen, Root und Ruswil durchgeführt. Gesucht sind neue Standorte. Interessierte melden sich bei Roland Distel, Beauftragter für Integration und Sport (041 228 52 38; roland.distel@lu.ch). Weitere Informationen und ein Erklärvideo finden Sie hier.

Rückblick

Bild: zVg
Weltweit essen
Bereits zum 4. Mal fand am 9. Februar 2020 im Entlebuch der kulinarische Anlass «WELTWEIT ESSEN» statt. Trotz herrlichem Sonnenschein war der Gemeindesaal Marbach sehr gut besetzt. 24 Köchinnen aus Escholzmatt verwöhnten die Anwesenden mit kulinarischen Köstlichkeiten aus 13 verschiedenen Ländern. Auch für Kinderbetreuung und musikalische Unterhaltung war gesorgt. Ein durchaus gelungener Anlass der Menschen unterschiedlicher Kulturen verbindet.
 
Ein grosses Dankeschön an das Organisationsteam der Integrationskommission Escholzmatt-Marbach für diesen gelungenen Anlass.
 

Ausblick

Regionaltreffen 2020
An den Regionaltreffen informiert die Koordinationsstelle über Aktuelles aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich. Es finden folgende Regionaltreffen statt:
 
 
Regionaltreffen Escholzmatt
8. September 2020, 18:00 - ca. 21:00 Uhr, Pfarreisaal
 
Regionaltreffen Root
18. November 2020, 18:00 - ca. 21:00 Uhr, Schulhaus Arena
 
Die Einladung zu den Regionaltreffen erhalten Sie zu gegebener Zeit per E-Mail. Bei Fragen wenden Sie sich an Marianne Bachmann (marianne.bachmann@lu.ch).
 
Wir freuen uns über Ihre Teilnahme!
 
Benevol Fachtagung: Freiwilligenarbeit im Kontext der Gesundheitsförderung
Mittwoch, 21. Oktober 2020, 13:30 - 17:30 Uhr, Kirchensaal MaiHof, Pfarrei St. Josef Luzern
 
Wie definiert sich Gesundheit? Macht Freiwilligenarbeit gesund? Welche Faktoren haben Auswirkungen auf die Gesundheit? Diesen Fragen geht die Fachtagung nach. Gemeinsam wird diskutiert, wie die Erkenntnisse in der Freiwilligenarbeit umsetzt werden können. Detaillierte Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.

Kontakt

​KANTON LUZERN
Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen
Gibraltarstrasse 3
6002 Luzern