Medienmitteilung

25. September 2015

Fremdsprachen-Initiative: Regierungsrat beantragt Ungültigkeit

Die kantonale Volksinitiative «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe» verlangt, dass der Unterricht in der zweiten Fremdsprache erst auf der Sekundarstufe I beginnt. Gestützt auf ein externes Rechtsgutachten beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, die Initiative für ungültig zu erklären, da sie gegen übergeordnetes Recht und das Gebot der Einheit der Materie verstösst.
 
Am 17. September 2014 reichte ein breit abgestütztes Initiativkomitee eine Initiative für nur eine Fremdsprache in der Primarschule ein. Welche Fremdsprache unterrichtet werden soll, legt die Initiative nicht fest. Die Initiantinnen und Initianten begründen ihr Anliegen unter anderem damit, dass die deutsche Sprache wieder Priorität haben soll, dass die sprachenlastige Primarschule Knaben und fremdsprachige Kinder benachteilige, dass ein späterer Unterrichtsbeginn in einer Fremdsprache kein Nachteil sei und den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern mehr Bedeutung zukommen soll.
 
Luzern würde Fremdsprachenunterrichts-Insel
In letzter Zeit wurden in mehreren Kantonen Volksinitiativen für «eine Fremdsprache an der Primarschule» eingereicht. In der Folge haben verschiedene Rechtsgutachter geprüft, ob die Initiativen rechtsgültig sind und nicht gegen Bundesrecht verstossen. In den Kantonen St. Gallen und Graubünden wurden diese Initiativen für ungültig erklärt. Die Ausgangslage im Kanton Luzern unterscheidet sich jedoch von jener in diesen beiden Kantonen. Luzern ist weder HarmoS-Kanton wie der Kanton St. Gallen, noch werden wie im Kanton Graubünden drei Landessprachen gesprochen. Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat daher ein eigenes Rechtsgutachten bei zwei unabhängigen Gutachtern in Auftrag gegeben.
 
Das Gutachten kommt einerseits zum Schluss, dass die Kantone gestützt auf den Schul-Harmonisierungsartikel in der Bundesverfassung (Art. 62 Absatz 4 BV) verpflichtet sind, die Sprachkompetenzen am Ende der Bildungsstufen zu vereinheitlichen. Mit der Initiative «Eine Fremdsprache auf der Primarstufe» riskiert das bisherige Modell des Fremdsprachenunterrichts in einer Weise «entharmonisiert» zu werden, die den Kanton Luzern zur Fremdsprachenunterrichts-Insel machen würde. Deshalb verstösst die Initiative gegen den Harmonisierungsauftrag in der Bundesverfassung und somit gegen übergeordnetes Bundesrecht.
 
Andererseits missachte die Initiative gemäss dem Rechtsgutachten das Gebot der Einheit der Materie. Die Stimmbürger könnten zwar entscheiden, dass nur eine Fremdsprache auf der Primarstufe unterrichtet wird, hingegen nicht, ob dies Englisch oder Französisch sein soll. Vor diesem Hintergrund würde für diejenigen Stimmberechtigten ein Dilemma entstehen, die der Initiative grundsätzlich zustimmen möchten, allerdings nur unter der Bedingung, dass Englisch die erste Fremdsprache ist, was aber den Harmonisierungsbestrebungen zuwiderlaufen würde.
 
Aus diesen beiden Gründen beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, die Initiative als ungültig zu erklären.
 
Zwei Fremdsprachen seit 2007
Die Sprachenstrategie der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz aus dem Jahr 2004 sieht vor, dass die erste Fremdsprache in der 3. und die zweite in der 5. Primarklasse beginnt. Bei dieser Strategie handelt es sich um einen Kompromiss, der zum einen die Anforderungen eines mehrsprachigen Landes und zum andern die aktuellen Bedürfnisse der Gesellschaft berücksichtigt. Der Kanton Luzern hat mit der Wochenstundentafel 2006 Englisch als Fremdsprache ab der 3. Klasse eingeführt. Ab der 5. Klasse wird zudem Französisch unterrichtet. 2014 verliessen die ersten Lernenden, welche in der Primarschule in zwei Fremdsprachen unterrichtet worden waren, die Sekundarschule.
 
Harmonisierung auf gutem Weg
Inzwischen haben die meisten Kantone die Sprachenstrategie der EDK umgesetzt. Davon noch abweichende Kantone haben versichert, dass sie die Sprachenstrategie mit der Einführung des Lehrplans 21 umsetzen wollen. Die Harmonisierung im Bereich der Fremdsprachen ist daher auf gutem Weg. Sollten die Kantone die Harmonisierung nicht aus eigener Kraft erreichen, wäre der Bund aufgrund der Bestimmungen in der Bundesverfassung ermächtigt einzugreifen. Nach verschiedenen Aussagen des Bundesrates zu urteilen, müsste dann zumindest eine zweite Landessprache in der Primarschule unterrichtet werden.
 
Anhang
Botschaft samt Rechtsgutachten

Kontakt

Regierungsrat Reto Wyss
Bildungs- und Kulturdirektor
Tel. 041 228 52 03
reto.wyss@lu.ch